<< Zur Übersicht  < Älter  Neuer >
 
 Veröffentlicht am 29.05.2025 18:00 Uhr
Nach unserem Abstecher in die Bucht von A Coruña warten die berühmten spanischen Rías auf uns. In Norwegen würde man sie als Fjorde bezeichnen – auch wenn ich kürzlich gelernt habe, dass es sich gar nicht um echte Fjorde handelt.

Sie unterscheiden sich von echten Fjorden dadurch, dass sie nicht durch Gletscher-, sondern durch Flusserosion entstanden sind. Das Meer drang also irgendwann in von Flüssen geformte Täler vor. Nach wie vor münden in jeder Ría mehrere Bäche oder Flüsse.

Diese unechten „Fjorde“ sind ein Paradies für Segler. Der Atlantikschwell erreicht die unzähligen Ankerplätze in den geschützten Rías nur selten. Irgendwo findet man immer ein Plätzchen, an dem man sich verstecken kann.

Wenn man an der Küstenlinie einen zufälligen Punkt auswählt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man einen wunderschönen Sandstrand erwischt hat. Es wimmelt nur so von Playas (oder auf Galicisch: Praias), die einer Postkarte würdig sind.

Ernsthafte Sturmbedingungen hatten wir seit dem Verlassen von Viveiro Ende März nur ein einziges Mal.

In der traumhaften Bucht von Camariñas verbringen wir erholsame Sommertage.

Das Wetter motiviert uns sogar, endlich unser Sonnensegel aus dem schwäbischen Garten für unser Müggele umzunähen.

Dann verkriechen wir uns für einige Starkwindtage hinter der Hafenmauer. Die vorhergesagten gut 40 Knoten wettern wir dort erst am Anker ab. Als manche Prognosen auf 50 Knoten steigen, nutzen wir einen kurzen ruhigen Moment, um uns an den Schwimmsteg zu verlegen. Im Windschatten des Städtchens bekommen wir nicht allzu viel von dem Sturm ab.

Noch vor Anker liegend, driftet während einer böigen Phase plötzlich unser Nachbar an uns vorbei. Kann passieren, bei 9 Beaufort. Was dann beim Manöver zum Vorschein kommt, erstaunt uns mehr, als dass der Anker nicht gehalten hat: ein Stockanker, der in meinen Augen ins Seefahrtsmuseum gehört – aber nicht auf eine aktiv genutzte Fahrtenyacht. Dass der Wind in den nächsten Stunden genau so dreht, dass wir in Lee zu ihm liegen, macht für uns die Zeit spannender als eigentlich notwendig.

Am nächsten Tag entschuldigt sich der nette Niederländer für die Aufregung in der Bucht bei einem Besuch auf Müggele. Er ist schon gewohnt, dass sein Anker nicht hält, berichtet er. Aber der jetzige Stockanker sei schon ein großer Fortschritt zu seinem vorherigen CQR-Anker. Na dann... Ich muss schmunzeln bei dieser Beschreibung seiner Ankerausrüstung. Innerlich zweifle ich aber stark daran, ob ich ähnlich gelassen geblieben wäre, hätte er bei der Drift einen Schaden an unserem Boot verursacht.

Viele Gewitter ziehen in den vergangenen Wochen an uns vorbei, direkt treffen sie uns zum Glück nur selten. Selbst wenn doch, bleibt es meist bei einem heftigen Niederschlag und ein paar einzelnen Böen. Da sich die viele Elektronik auf einem Segelboot nur schlecht gegen Überspannungsschäden schützen lässt, ist der Einschlag eines Blitzes die größte Sorge bei Gewitter. Der Austausch vieler Systeme ist teuer und zeitaufwendig und hat schon viele Boote für Wochen und Monate in den Hafen verbannt.

Die Viveiro-Flottille ist inzwischen weit auseinandergerissen. Die einen haben auf dem Weg nach Süden bereits Portugal hinter sich gelassen, anderen sind wir deutlich enteilt. Die Antares, mit der wir seit Dublin gemeinsam unterwegs sind, folgt uns sozusagen bis ans Ende der Welt. Durch einen kurzen Werftaufenthalt in A Coruña und das darauffolgende schlechte Wetter waren wir für ein paar Wochen getrennt.

Am Cabo Finisterre, das früher tatsächlich für den westlichsten Punkt der Welt gehalten wurde und daher auch diesen Namen trägt, holt sie uns wieder ein.

Wir treffen auf weitere deutsche Segler, die allerdings in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind. Mehrmals ergeben sich Gelegenheiten zum Erfahrungsaustausch...

...und zum Anstoßen auf die erlebten Abenteuer.

Fast jeder Segler ist interessiert daran, andere Boote kennenzulernen. Welche Lösung hat sich bewährt? Wie wurde jenes Problem gelöst? Kein Boot ist wie das andere, speziell keine Langfahrtyacht, und so besichtigen wir mit großem Interesse gegenseitig die anderen Reisemobile.

Man hilft sich gegenseitig: Wir versuchen bei unseren Nachbarn, die Ankerwinde instand zu setzen. Johann von der SY Niovi ist so nett und hilft uns mit seinen Kletterkünsten bei Arbeiten im Rigg.

Mit Freunden sitzen wir bei einem Sundowner im Cockpit und schauen gegen 22 Uhr der Sonne beim Versinken zu.

Als wäre die Situation nicht bereits kitschig genug, zeigt plötzlich jemand mit dem Finger aufs Wasser. Prustend ziehen Delfine am Boot vorbei. Die perfekten Fahrtensegler-Momente – hier dürfen wir sie erleben.

Vor und in den Rías gibt es einige Naturschutzgebiete. Nur mit vorher eingeholter Genehmigung darf man sie befahren oder betreten. Immerhin kann dieser Verwaltungsakt online und mit minutenschneller Antwortzeit durchgeführt werden.

Die kleine Mühe lohnt sich. Sowohl die Illa de Sálvora als auch die Illa do Ariosa sind einen Besuch wert. Viel geboten ist dort nicht – was ja gerade den Reiz ausmacht.

Die Letztgenannte besteht eigentlich nur aus einem Sandhügel, der uns zum Baden und Frisbee-Spielen einlädt.

Netterweise gibt es sogar kostenlose Anlegebojen. Allerdings finden wir keine zuverlässigen Daten bezüglich der maximalen Verdrängung, für die die Bojen geeignet sind. Zudem liegen sie so eng aneinander, dass wir kaum zwischen zwei Exemplare passen. Manche der blauen Plastikschwimmer sind so platziert, dass sie sich berühren. Uns kommt das spanisch vor, und so vertrauen wir lieber unserem Anker.

Speziell hier in der Ría de Arousa wimmelt es nur so von Muschelfarmen. Riesige Bereiche sind von ihnen besetzt. Erst waren wir unsicher, ob man zwischen den Anlagen hindurchfahren darf. Wir wissen inzwischen jedenfalls, dass es jeder einfach macht – wir tun es somit ebenfalls.

Zwei Rías und die beiden in dieser Region bekanntesten Naturschutzgebiete liegen noch vor uns. Wir planen den ganzen Juni dafür ein. Im Juli und August möchten wir dann die oft steile Küste Portugals bewältigen.

Im Gegensatz zu den Rías finden sich dort eher wenige Ankerbuchten. Die ohnehin nicht gerade zahlreichen Häfen werden bei entsprechender Dünung von offizieller Seite geschlossen – eine Missachtung ist nicht nur gefährlich, sondern auch teuer. Es bietet sich also an, die Zeit in den Rías noch länger zu genießen, bevor wir uns diesem Streckenabschnitt stellen.

Es wäre auch viel zu schade, dieses herrliche Segelrevier, das zudem mit perfektem Wetter lockt, rasch zu überspringen.

Der häufige Nordwind ist reizvoll. Wir könnten flott nach Süden vorankommen, wenn wir denn wollten.

Bisher zieht es aber weder uns noch die Antares-Crew schnell weiter. Angesichts solcher Panoramen könnt ihr das vermutlich gut nachvollziehen.

Während bei uns eitel Sonnenschein herrscht, erreichen uns leider auch zwei traurige Nachrichten: Ein Segelboot aus der Viveiro-Flottille wird beim Einlaufen in einen portugiesischen Hafen von einer brechenden Welle erwischt, auf die Seite gelegt und erleidet diverse Schäden. Und das deutsche Paar, das letzten Herbst in Frankreich einige Tage gemeinsam mit uns auf Strecke war, strandete kürzlich beim Versuch, in den Bassin d'Arcachon einzulaufen. Die Sandbänke waren in der Realität nicht dort, wo sie laut Karte hätten sein sollen. Sie mussten von ihrer manövrierunfähigen Yacht per Hubschrauber geborgen werden. Die Fortsetzung ihrer Reise ist angesichts der Schäden am Boot ungewiss. 😥

 << Zur Übersicht  < Älter  Neuer >