Die abgesteckte Etappe von England nach Frankreich ist knapp 140 Meilen lang und dauert bei angenommenen 5,5 Knoten ca. 24 Stunden. Um die in Landnähe häufig vorzufindenden Fischerbojen bei der Abfahrt gut zu erkennen, sollten wir bei Tageslicht starten. Das Gleiche gilt für die Ankunft. Dann müssen wir unbedingt den Kanal du Four nahe Brest bei ablaufender Tide durchfahren. Und natürlich möchten wir auch die beiden stark befahrenen Verkehrstrennungsgebiete im Ärmelkanal (sozusagen die Meeresautobahnen) ebenfalls nicht im Dunkeln kreuzen.
Wer den Tidenkalender mit der Seekarte abgleicht, erkennt schnell: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es leider nicht. In einen sauren Apfel werden wir beißen müssen. Die Verkehrstrennungsgebiete ziehen den Kürzeren, wir planen sie für die Nachtstunden ein.
Bevor wir auf den Isles of Scilly für mehrere Tage eingeweht werden, nutzen wir eine Phase mit wenig Wind und setzen über auf das europäische Festland.
Die vielbefahrenen Schifffahrtswege kreuzen wir zwar nachts, dafür aber mit elektronischer Unterstützung durch das AIS. Fast wie in einem Computerspiel drücken wir ein paar Mal die Knöpfe auf unserem Autopilot, als die vorausberechneten Entfernungen zu anderen Verkehrsteilnehmern zu gering erscheinen.
Wirklich nahe kommen wir nur den Delphinen, die uns immer wieder begleiten. Es wimmelt hier nur so davon.
Bei absoluter Flaute schiebt uns der Dieselmotor die letzten Meilen in den Hafen von Morgat. Dort werden wir erneut von der Antares-Crew aufs Herzlichste empfangen. Ingo und Marleth haben die Strecke ein paar Tage vor uns zurückgelegt. Mit dem Hafenmeister haben sie sich bereits angefreundet. Er entschuldigt sich regelrecht, dass er uns für die zwei Nächte eine Rechnung stellen muss.
Die erfolgreiche Überfahrt in Kombination mit dem prima Wetter sorgen natürlich sofort für gute Stimmung. Wir fühlen uns, als wären wir bereits an der Cote d'Azur. Der Wasserfarbe nach wäre der Name durchaus passend.
Am Tag nach unserer Ankunft in Frankreich ändert sich die Kulisse nochmals zurück zu dem uns wohlbekannten Regenwetter, das wir auf den britischen Inseln schon zur Genüge erfahren durften. Das Tief, vor dem wir von den Isles of Scilly geflohen sind, erreicht uns auch hier in der Bretagne.
Das Verhältnis "Sonne zu Regen" hat sich seit unserer Ankunft auf dem Festland deutlich zu unseren Gunsten verschoben.
Auch der Wind bläst seit Tagen eher gemächlich und zudem ablandig, wodurch wir beim Segeln und Ankern meist nur eine geringe Dünung genießen dürfen.
Gemeinsam mit der Antares hüpfen wir von einer Bucht zur nächsten, ...
... ankern in Flüssen, wie hier der Odet, ...
... oder verbringen ein paar Tage in den zahlreichen Marinas wie hier in Concarneau.
Die besten Ankerplätze sind oft mit privaten Mooringbojen belegt, so dass man etwas intensiver nach einem guten Fleck Ausschau halten muss. Bisher fanden wir noch immer eine passende Möglichkeit.
Wie jeder Segler auf dieser Strecke standen auch wir vor der Entscheidung, ob wir die Biskaya in 3-4 Tagen nonstop überspringen, oder viele Wochen die Küste entlang tingeln.
Auf der Küstenstrecke verringern wir auch das Risiko von Orca-Angriffen. Was sich vor ein paar Jahren noch nach einem schlechten Aprilscherz angehört hätte, ist inzwischen für Segler in diesem Gebiet alltägliche Realität.
Bisher war die gemütliche Variante jedenfalls eine sehr gute Wahl. Wir fühlen uns wie der sprichwörtliche "Gott in Frankreich".
Inzwischen sind wir in der Nachsaison angekommen. Darüber sind wir nicht gerade unglücklich, es ist noch immer viel los auf dem Wasser. Zudem profitieren wir in vielen Häfen von günstigeren Preisen.
Die Einsamkeit der äußeren Hebriden findet man hier nicht. Es fühlt sich aber auch nicht überlaufen an.
Gerade liegen wir in einer Bucht mit zwei anderen Segelbooten, verziert von aus dem Wasser stehend Felsen, geschützt hinter der Belle-Île.
Und die "schöne Insel" macht ihrem Namen alle Ehre, finden wir.
Gestern ist uns bei einem Spaziergang aufgefallen, dass sich unser Wandergepäck seit der Ankunft in Frankreich geändert hat. Bisher war das Wichtigste, die Regenjacke nicht zu vergessen. Hier gilt der erste Gedanke hingegen der Wasserflasche.
In den nächsten Tagen werden wir uns Richtung Arzal bewegen. Für Mitte der Woche empfiehlt uns die Windprognose, die offene Biskaya besser zu meiden.
Zwar kann sich bis dahin noch viel verändern, aber falls sich die Vorhersage konkretisiert, spielen wir mit dem Gedanken, ein paar Meilen den Fluss Vilaine hinauf zu fahren. Hinter der Schleuse bei Arzal kann uns ein Biskaya-Sturm relativ egal sein.
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