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 Veröffentlicht am 27.12.2024 13:00 Uhr
Wenn wir ein Ziel ansteuern, das wir noch nie zuvor besucht haben, versuchen wir, eine Ankunft bei Dunkelheit zu vermeiden. Unser Zielhafen Bilbao hat einen stark frequentierten vorgelagerten Industriehafen. Deshalb ist es uns dieses Mal besonders wichtig, bei Helligkeit anzukommen.

Wenn möglich, legen wir auch die Abfahrt in die Zeit mit Tageslicht. Die vielen Fischerbojen in Landnähe sind bei Dunkelheit schwer auszumachen. Auf offener See angekommen, stört die Dunkelheit dann weniger.

Etwa 190 Meilen beträgt die Strecke von La Rochelle ins spanische Bilbao. Bei 5,5 Knoten würden wir für die Überfahrt somit 35 Stunden benötigen. Wenn wir von 10 Stunden Tageslicht ausgehen, schaffen wir die Strecke mit einer einzigen Nachtphase - zum Sonnenaufgang starten, zum Sonnenuntergang ankommen. Sollten wir hingegen nur 5 Knoten im Durchschnitt schaffen, dann benötigen wir 38 Stunden und überschreiten somit die 10+24 Stunden Grenze. Wir müssten also unbedingt Tempo halten, um nicht in Dunkelheit anzukommen. Gemütlich eine Flaute auszusitzen, wäre damit nicht möglich.

Wir entscheiden uns daher, am Abend bei Restlicht in La Rochelle auszulaufen und zwei Nachtphasen in Kauf zu nehmen, dafür aber keinerlei Zeitdruck zu haben. Die weiteren Überlegungen zu Tidenstrom, Seegang und Windprognose könnten noch die eine oder andere A4-Seite füllen. Ich fasse es kurz so zusammen: Nach zwei Tagen Schwachwind erwarten wir keine allzu große Dünung mehr, die vom Atlantik in die Biskaya drückt. Für den Zeitraum der Überfahrt selbst ist leichter bis mäßiger Ostwind vorhergesagt.

Die Frage ist also weniger, ob die Bedingungen rau werden. Das ist nahezu ausgeschlossen, falls die Prognosen auch nur halbwegs zutreffen. Fraglich ist eher, wie sehr wir die Segel zum Einsatz bringen können, oder ob wir dafür zu leichte Winde haben werden. Schon eine relativ geringe Dünung lässt die Segel bei Schwachwind erbärmlich hin und her schlagen. Man bekommt Mitleid mit dem Tuch, wenn es bei jeder Wellenbewegung von einer Seite zur anderen gedrückt wird und in die Schoten knallt.

Die Segel kommen über weite Strecken zum Einsatz, den größeren Vortrieb erbringt jedoch zugegebenermaßen der Dieselmotor.

Spannend wird es, als wir das Kontinentalschelf überfahren. Der Meeresboden sackt von etwa 100 Meter Wassertiefe rasch auf teils über 2 Kilometer ab und verursacht dadurch eine Wellenreflexion. Bei Seegang aus West entsteht ein sehr chaotisches Wellenbild. Hätten wir nicht gewusst, dass wir gerade diese Stelle überfahren, wäre es uns gar nicht aufgefallen. Die nur leichte Dünung bereitet uns zum Glück keine Schwierigkeiten, auch hier nicht. Wir sind erleichtert, als wir die Kante am Grund im Kielwasser liegen haben.

Nach zwei Nächten erreichen wir in den Morgenstunden den Industriehafen von Bilbao.

Ganz am Ende des großen Hafenbeckens wartet ein rundum geschützter Ankerbereich auf uns.

Der Zoll empfängt uns höflich und professionell und wird uns in den nächsten Wochen noch häufig besuchen. Wenn im Winter wenig Boote unterwegs sind, kontrolliert man scheinbar einfach die gleichen Boote immer wieder. 😒

Die Vororte von Bilbao umzingeln uns regelrecht. Speziell am Abend, wenn die künstliche Beleuchtung um uns herum einsetzt, fühlen wir uns, als würden wir mitten auf dem Marktplatz ankern. Allerdings ist das Ufer weit genug entfernt, dass uns die Stadt nicht aufdringlich wird. Mittendrin sein, und doch genügend Privatsphäre haben - das genießen wir hier für drei Nächte.  

Wir sitzen am Heck, blicken in den Sternenhimmel, freuen uns über die milden Temperaturen, haben ein San Miguel in der Hand, lauschen den urbanen Geräuschen und empfinden neben der Erleichterung über die sichere Überfahrt auch ein wenig Stolz, unserer Reise eine weitere Gastlandflagge hinzugefügt zu haben.

Dass wenige Stunden nach unserer Ankunft auch die Antares sicher in den Hafen einläuft, gibt unserem Glücksgefühl einen weiteren Schub (genialer Segler-Trick: wir haben 5 Stunden Vorsprung rausgefahren, indem wir 10 Stunden früher starteten 😄😇). Wir freuen uns, dass zumindest Ingo und Marleth weiterhin auf gleichem Kurs wie Müggele unterwegs sein werden. Die Out Of The Blue haben wir leider an ihr Winterlager in Rochefort "verloren". Wir hoffen, dass Tina und Gustav im Frühjahr wieder zu uns aufschließen können. Es würde uns sehr freuen.

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